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Jugendliteratur Rezensionen

Kerstin Gier: „Silber. Das zweite Buch der Träume“

 

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Kerstin Gier
Fischer-Verlag
ISBN: 9783841421678
19.99€

 

 

Liv ist erschüttert: Secrecy kennt ihre intimsten Geheimnisse. Woher nur? Und was verbirgt Henry vor ihr? Welche düstere Gestalt treibt nachts in den endlosen Korridoren der Traumwelt ihr Unwesen? Und warum fängt ihre Schwester Mia plötzlich mit dem Schlafwandeln an? Albträume, mysteriöse Begegnungen und wilde Verfolgungsjagden tragen nicht gerade zu einem erholsamen Schlaf bei, dabei muss Liv sich doch auch schon tagsüber mit der geballten Problematik einer frischgebackenen Patchwork-Familie samt intriganter Großmutter herumschlagen. Und der Tatsache, dass es einige Menschen gibt, die noch eine Rechnung mit ihr offen haben – sowohl tagsüber als auch nachts … (Klappentext)

Gleich zu Beginn die Antwort auf Frau Giers Frage, ob ich das Buch zufrieden zugeklappt habe: Nein, habe ich nicht!

Nach einem Jahr Wartezeit sind mir knapp 400 Seiten in großzügiger Formatierung einfach zu wenig. Ich habe extra langsam gelesen, um den Genuss auszudehnen. Das Thema der Silber-Reihe ist phänomenal, noch nie dagewesen und Frau Gier besitzt ein Händchen für spannende Rahmenhandlungen und Figuren, die einen gefangen nehmen. Trotzdem hat mich dieser Band – gerade jetzt, wo ich ihn rezensieren möchte – eher ernüchtert.

Von der Magie des 1. Teils war nicht mehr viel übrig. Keine Spur vom sumerischen Nachtdämon namens Lulila, keine mysteriösen Tätowierungen an den Handgelenken, selbst Senator Tod Nord entpuppt sich allzu rasch als Luftnummer. Band 2 ist nicht wirklich eine Fortsetzung, sondern eher eine ausgelagerte Nebenhandlung. Arthurs persönlicher Rachefeldzug, der mit der eigentlichen Handlung nicht viel zu tun hat. Es fehlen Spannungskurve und roter Faden. Stattdessen ist die Geschichte mit haufenweisen Nebensächlichkeiten angereichert, mit mittelschweren Alltagsproblemen und Beziehungskrisen. Die Tragödie des Dahinscheidens von Mr Snuggels, des berühmtesten Buchsbaums Großbritanniens, war anfangs äußerst amüsant, wird aber zu sehr ausgeschlachtet und büßt daher an Witz ein.

Die Erwartungen an Band 3, den Abschluss der Trilogie, sind hoch. Da Band 2 nichts Neues zur Rahmenhandlung beiträgt, bleiben viele Fragen offen. Nachdem ich Kerstin Giers Brief im Anhang des Buches gelesen habe, verhärtet sich ein wenig der Verdspricht acht, dass ihre Geschichte ums Träumen noch nicht ausgereift ist. Bei ihrem Brief handelt es sich um Richtigstellungen von Andeutungen vom Ende des 1. Bands. Nichts dagegen, dass ein Künstler seine Meinung ändert, aber es hinterlässt einen bitteren Nachgeschmack bei den Fans, dass das volle Potenzial der Geschichte nicht ausgeschöpft wurde, dass Nebensächlichkeiten aufgebauscht wurden, um Zeit für Band 3 zu schinden. Selbst die Figuren treten auf der Stelle. Es geht einfach nicht voran.

Nichtsdestotrotz ist Frau Gier eine Zauberin. Ihr Schreibstil ist hervorragend, die Dialoge sind erfrischend, das Thema der Silber-Trilogie einfach nur fesselnd. Die Figuren sind liebevoll gestaltet und wachsen einem richtiggehend ans Herz. Selten gab es eine so sympathische Hauptfigur wie Liv. Frau Gier schafft es immer wieder, dass wir ihre Bücher verschlingen und am Ende immer mehr wollen. Ich habe mir kürzlich das Hörbuch von Teil 1 gekauft und lese das 2. Buch der Träume zum zweiten Mal. Wenn das also keine Kunst ist?

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Jugendliteratur Rezensionen

Robin Wasserman: „Das Buch aus Blut und Schatten“

 
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Robin Wasserman
Arena-Verlag
ISBN: 9783401068114
18.99€
 
 
 

Vor der Mordnacht hatte Nora zwei beste Freunde, Chris und Adriane. Und Max, den sie liebte. Nach jener Nacht hat sie Chris’ Blut an den Händen, Adriane steht unter Schock – und Max ist verschwunden. Was bleibt, ist ein okkultes Buch, das in jener Nacht seine grausige Botschaft offenbarte: Blut und Tod. Was bleibt, ist das mysteriöse Signum von Chris’ Mördern – einer jahrhundertealten Geheimgesellschaft. Gefangen zwischen Lüge und Schatten, behält Nora nur eine Gewissheit: Chris’ Blut war erst der Anfang – und sie selbst wird das Ende sein. (Klappentext)

Es geschieht nur selten, dass ich schon nach dem ersten kurzen Hinsehen weiß: Dieses Buch muss ich lesen. Normalerweise bin ich unempfänglich für Reklametafeln, Plakate oder bunte Hinweisschilder, aber am Buch aus Blut und Schatten konnte selbst ich nicht vorbei. Das mag zum Großteil an den gigantischen Ausmaßen liegen. Oder an der Covergestaltung, die aus dem Meer ewig gleicher Buchdeckel herausragt wie ein Monolith in grün-schwarz-rot. Wer vor solch einer Lesemasse respektvoll zurückweicht, sei an dieser Stelle beruhigt. Zum Umfang des Buches tragen dickes Papier und eine großzügige Schriftgröße bei.

Zum Inhalt: Nora hilft gemeinsam mit ihren Freunden dem Professor, ‚der Hoff‘ genannt, bei der Übersetzung des Voynich-Manuskriptes. Während ihr Freund Chris und dessen Mitbewohner Max an der Entschlüsselung des Manuskriptes arbeiten, übersetzt Nora die zunächst kaum interessant erscheinenden Briefe von Elizabeth Weston, welche diese – in lateinischer Sprache – an ihren Bruder schrieb. Je tiefer Nora in Elizabeths Briefe eintaucht, desto mehr kristallisiert sich heraus, dass sie gar nicht so unwichtig sind. Plötzlich häufen sich mysteriöse Vorfälle: Der Hoff ‚erkrankt‘, Chris wird ermordet, Max verschwindet und Noras Freundin Adriane wird vorübergehend in eine Nervenheilanstalt eingewiesen. In Prag versucht Nora mithilfe der Hinweise aus Elizabeths Briefen das Lumen Dei zusammenzusetzen, ehe es einer der beiden Geheimgesellschaften gelingt, die ihr auf den Fersen sind. Eine spannende Schatzsuche quer durch die Goldene Stadt beginnt.

Der Einstieg in die Geschichte gestaltete sich etwas schwierig. Die Handlung läuft nur langsam an, bis einen der angenehme Lesefluss von Seite zu Seite trägt . Über die nicht immer nachvollziehbaren Sprünge in der Handlung sieht man auf diese Art großzügig hinweg. Obwohl die Geschichte aus Noras Perspektive geschildert wird, hatte ich so meine Probleme mich in sie hineinzuversetzen. Sie gibt wenig von sich preis und nicht immer kommen einem ihre Gedankensprüngen logisch vor. Außerdem übersetzt sie lateinische Briefkorrespondenz mit einer Leichtigkeit, die echt unheimlich ist.  Allerdings gehören undurchsichtige Figuren und unvorhergesehene Entwicklungen zu einem Thriller irgendwie dazu, nicht wahr?

Respekt zolle ich Frau Wasserman für ihre Recherchetätigkeit. Nicht nur wegen der vielen Lateintexte, sondern auch wegen der historischen Fakten über Prag, Rudolf II und den Gründungsmythos Prags. Da ich mich in dem Themengebiet auskenne, habe ich die Stellen mit kritischer Aufmerksamkeit gelesen, immer auf der Suche nach einem Fehler, über den ich mich aufregen kann. Stattdessen habe ich ein oder zwei Sachen dazugelernt. Elizabeths Geschichte verleiht dem Roman noch die gewisse Würze. Und obwohl das Lumen Dei stark an die Bundeslade aus Indiana Jones erinnert und die Geheimgesellschaften Parallelen zu Dan Brown aufweisen, halte ich Das Buch aus Blut und Schatten für einen gelungenen Thriller. Sehr gut vorstellbar auch als Mehrteiler im Fernsehprogramm.