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Yangsze Choo: “Nachttiger”

Yangszee Choo
Wunderraum Verlag
22,00€

Britisch-Malaya in den 1930-Jahren. Zwischen Dschungel und Kolonialvillen lauert eine geheimnisvolle Gefahr…

Der chinesische Houseboy Ren ist in geheimem Auftrag unterwegs: Er soll den amputierten Finger seines Herrn finden, um ihn mit dem Toten zu bestatten. Nur so kann dessen Seele Ruhe finden. Neunundvierzig Tage bleiben Ren für seine Mission, die ihn zu einem britischen Arzt und der Tänzerin Ji Lin führt. Doch die Suche ist gefährlich: Ren und Ji Lin geraten in eine Welt von Aberglaube, Liebe und Verrat. Und in eine Serie mysteriöser Todesfälle… (Klappentext)

Historischer Roman und chinesischer Aberglaube

Als ich mich auf ‚Nachttiger‘ einließ, war ich völlig unvoreingenommen im Hinblick darauf, was mich erwartete. Nach 600 Seiten bin ich wieder aufgetaucht und habe das Gefühl, Teil eines unfassbar spannenden Abenteuers gewesen zu sein, eine Zeitreise in die 1930er und gleichzeitig Urlaub in Südostasien gemacht zu haben. ‚Nachttiger‘ ist ein packender Mix aus Kriminalgeschichte, Hirstorienroman und exotischem Märchen. Dieser Roman ist auf so vielen Ebenen brillant durchdacht, dass es einem den Atem raubt. Dabei beginnt er lediglich mit einem abgetrennten Finger…

Im ersten Erzählstrang geht es um den 11jährigen Ren, der harte Arbeit gewohnt ist, schon viel Trauer in seinem Leben erfahren hat und über einen ausgeprägten sechsten Sinn zu verfügen scheint. Auf dem Sterbebett gibt ihm sein Herr einen letzten Auftrag: Ren soll seinen fehlenden Finger wiederbeschaffen, damit sein vollständiger Körper begraben werde. Andernfalls – so ein Aberglaube – kehre er als Geistertiger zurück. Seine Suche führt Ren in den Dienst des Chirurgen Dr William Acton. Als die von einem Tiger übel zugerichtete Leiche einer jungen Frau gefunden wird und nahe dem Haus Pfotenabdrücke eines Tiger auftauchen, ahnt Ren, dass ihm die Zeit durch die Finger rinnt.

Im zweiten Erzählstrang geht es um die junge Ji Lin, die in einer Tanzhalle Geld verdient, um die Spielschulden ihrer Mutter zu tilgen, ohne dass der jähzornige Stiefvater Wind davon bekommt. Einer ihrer Tanzpartner hinterlässt Ji Lin einen abgetrennten Finger.

Während die 49 Tage allmählich verstreichen, geschehen eine ganze Reihe mysteriöser Todesfälle. Ji Lins und Rens Wege, so unterschiedlich sie erscheinen, kreuzen sich durch chinesischen Zahlenaberglaube, die Einheit konfuzianischer Tugenden und Mythen über Männer, die sich in Tiger verwandeln. Am Ende bleibt es dem Leser selbst überlassen zu entscheiden, welcher Teil der Geschichte auf das Konto übersinnlicher Begebenheiten geht, oder mit bloßen menschlichen Abgründen erklärt werden kann.

‚Nachttiger‘ ist das zweite Buch von Yangsze Choo, aber das erste, das in deutscher Übersetzung erschienen ist. Es bleibt nur zu hoffen, dass es weitere Bücher aus der Feder dieser Autorin geben wird, denn ‚Nachttiger‘ ist ein wundervolles Gesamtkunstwerk, ein Mix verschiedener Genres mit einer bildhaften Sprache, die einen wie einen Sog erfasst und in die Geschichte zieht.

Vielen Dank an den Verlag für das Rezensionsexemplar!

Yangsze Choo: “The Ghost Bride”
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Jane Austen: “Vernunft und Gefühl”

€
Jane Austen
Penguin Verlag
10,00€

Zwei ungleiche Schwestern auf der Suche nach der Liebe

Die eine ist voller Lebenslust und Temperament, die andere beherrscht und vernünftig. Marianne Dashwood ist das genaue Gegenteil ihrer älteren Schwester Elinor, und so stürzt sie sich nach dem Tod ihres Vaters kopflos in eine Romanze mit dem begehrten Frauenschwarm John Willoughby – und wird bitter enttäuscht. Doch als auch Elinor entdeckt, dass sie von dem Mann ihres Herzens hintergangen wurde, müssen die ungleichen Schwestern lernen, dass sie den Weg der Liebe nur mit Unterstützung der jeweils anderen finden können … (Klappentext)

Ein zeitloser Klassiker

Jane Austens Debütwerk ist ein intelligent konzipierter Gesellschaftsroman, in den die Liebesgeschichten zweier Schwestern verflochten sind. Vom Umfang her und aufgrund der zahlreichen Akteure mit ihren familiären Verstrickungen kann der Roman einen anfangs ziemlich einschüchtern. Mir persönlich ging es so. Ich habe ‚Verstand und Gefühl‘ erst im zweiten Anlauf geschafft. Mit Andrea Otts moderner und geschmeidiger Neuübersetzung gelingt der Einstieg in den Kreis der Dashwood-Schwestern von der ersten Seite an. Wie herrlich kann man das Gespräch zwischen John Dashwood und seiner Frau Fanny genießen, in dem gleich zu Beginn der Geschichte Johns großzügige Gabe von jeweils eintausend Pfund für jede Schwester binnen weniger Seiten auf nichts reduziert wird. Meisterhaft argumentiert von Fanny.

Allein dieses Gespräch ist das beste Beispiel für Jane Austens scharfsinnigen Blick auf die Gesellschaft. Ihr gelingt es mit einem feinen ironischen Pinselstrich die gesellschaftlichen und menschlichen Eigenarten zu entlarven. Sie karikiert die Komik alltäglicher Begebenheiten mit einer sprachlichen Eleganz, wie sie meines Erachtens bei keinem anderen vorkommt.

Wie in allen Austen Romanen stehen junge, ledige Frauen der höheren bürgerlichen Schicht im Mittelpunkt der Handlung. Den Dashwood-Frauen bleiben nach dem Tod des Vaters wenig Mittel, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Aufgrund der Erbfolge geht sämtlicher Besitz an den nächsten männlichen Erben und sie sind von dessen Wohlwollen abhängig. Dass John Dashwood seinen Halbschwestern nichts weiter angedeihen lässt, erfährt der Leser ja gleich zu Beginn. Und so ziehen die drei Schwestern mit ihrer Mutter aufs Land in ein bescheidenes Cottage. Sowohl Elinor als auch Marianne erleben ihre eigenen Liebesgeschichten, die voll Drama, Intrigen und Verwicklungen sind. Elinor ist die ältere, besonnene Schwester, die sich ihrer gesellschaftlichen Pflicht stets bewusst ist. Sie verkörpert die titelgebende Vernunft. Dagegen ist Marianne leidenschaftlich und impulsiv. Ihr ist das Gerede der Menschen gleichgültig, sie lebt ihre Gefühle offen aus. Beide Schwestern erfahren erst bittere Enttäuschung, ehe sie in der Liebe Glück finden.

Am unterhaltsamsten sind jedoch die Nebenfiguren, die ein breitgefächertes Spektrum menschlicher Verhaltensweisen verkörpern. Auch in ihnen zeigt sich Jane Austens boshafter Blick. Ihre Figuren sind geizig, eifersüchtig, gierig, wohlwollend, naiv, vulgär und und und. In ‚Vernunft und Gefühl‘ wimmelt es vor lauter Archetypen, die von Austen meisterhaft karikiert werden. Aus diesem Grund sind alle Romane aus Jane Austens Feder so zeitlos. Wer ‚Vernunft und Gefühl‘ nicht liest, ist selber schuld!

Hier könnt ihr noch meine Rezension zu “Stolz und Vorurteil” lesen!
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Heidi Swain: “Träume sind aus Zimt und Zucker” (Die Kirschblüten-Reihe, Band 2)

Heidi Swain
Penguin Verlag
10,00€

Küsse unter dem Mistelzweig

Als ihre Freundinnen sie um Hilfe bitten, zögert Ruby nicht lange und eilt zurück in ihre verträumte Heimatstadt Wynbridge. Auf dem Weihnachtsmarkt soll sie Leckereien aus dem beliebten Kirschblütencafé verkaufen – der perfekte Ferienjob! Zwischen duftenden Plätzchen und wärmendem Glühwein kann Ruby von ihrer Zukunft träumen. Doch dann taucht ihr Ex-Freund Steve am Nachbarstand auf, über den sie nie wirklich hinweggekommen ist. Und plötzlich fällt es Ruby alles andere als leicht, sich auf die Köstlichkeiten in ihrer Auslage zu konzentrieren… (Klappentext)

Weihnachtlich und kurzweilig

Was gibt es schöneres, als in der Weihnachtszeit zwischen verträumten Buchtiteln und romantischen Covern zu schwelgen. „Träume sind aus Zimt und Zucker“ fängt allein schon rein optisch die weihnachtliche Gemütlichkeit ein. Und beim Lesen des Titels glaubt man den Duft von frischen Kräppelchen in der Nase zu haben. Es ist der zweite Band aus der Kirschblüten-Reihe, die in dem kleinen britischen Städtchen Wynbridge spielt.

Die Handlung ist stimmungsvoll und kurzweilig. Ruby hat ihr vielversprechendes Studium abgebrochen, um auf dem Weihnachtsmarkt ihrer Heimatstadt die Köstlichkeiten und Basteleien aus dem Kirschblütencafé zu verkaufen. Mit dem Geld möchte sie ihre Reisekasse aufbessern. Rubys Vater blickt natürlich sorgenvoll auf die Zukunft und Karriere seiner Tochter. Schließlich hat sie einen Abschluss mit Auszeichnung. Der Konflikt zwischen Vater und Tochter führt immer wieder zu den gleichen Dialogen, was spätestens nach der fünften Wiederholung Langeweile hervorruft. Von den zahlreichen Nebenfiguren, die durch Wynbridge wuseln, schwirrte mir der Kopf. Ich hatte leider wirklich Probleme, die vielen Namen den Figuren zuzuordnen plus deren persönliche (Liebes-) Dramen im Gedächtnis zu behalten. Dagegen half nicht einmal, dass ich bereits Teil 1 dieser Reihe gelesen hatte.

Ruby engagiert sich sehr für den Erhalt des Weihnachtsmarktes und bringt jede Menge Ideen für dessen Aufwertung und Verbesserung ein, nicht ahnend, dass im Hintergrund eine regelrechte Verschwörung der Stadtverwaltung läuft. Es ist süß, wie die Gemeinschaft des kleinen Städtchens durch das gemeinsame Ziel zusammengeschweißt wird. Auch wenn die Geschichte stellenweise überzeichnet ist, vermittelt sie eine sehr schöne Weihnachtsbotschaft.

Rubys Liebesgeschichte fand ich dagegen ziemlich fade. Es mangelt deutlich an Schwung. Beide Figuren befinden sich von Beginn an am selben Punkt ihrer Beziehung – getrennt, aber ganz offensichtlich noch mit Gefühlen für den jeweils anderen. Von den Gefühlen merkt man nicht viel, es gibt keine interessanten Auseinandersetzungen, kaum eine richtige Entwicklung.

Sehr gelungen ist aber das Flair einer britischen Kleinstadt zur Weihnachtszeit. Die Autorin kreiert eine gemütliche winterlich-weihnachtliche Atmosphäre. Der Roman ist äußerst kurzweilig und liest sich ebenso rasant weg. Als unaufregende Lektüre zwischen den Jahren fand ich ihn super. Ließ sich hervorragend zu einem Becher Punsch und Lebkuchen wegschmökern.

Herzlichen Dank an den Verlag für das kostenlos zur Verfügung gestellte Rezensionsexemplar.

Heidi Swain: “Frühling im Kirschblütencafé” (Die Kirschblüten-Reihe, Band 1)